Eine Vision für ein Miteinander mit Kindern in der geistlichen Familie  

Teil 2: Die Kinder durch Gottes Augen sehen

Autorin: Renée Bauer

Wir träumen von einer Kultur, bei der die Kinder gemeinsam mit den anderen Generationen in die Gegenwart Gottes kommen, wir alle den Heiligen Geist erleben und zusammen agieren. Aber wie geschieht das eigentlich?

Es fängt damit an, mit welchen Augen wir die Kinder sehen.

Jedes Kind ist eine eigenständige Person, geschaffen im Ebenbild Gottes. Es hat eine einzigartige Persönlichkeit und Berufung. Und die kommt nicht erst im Erwachsenenalter zum Tragen, sie ist jetzt schon real. Als natürliche und geistliche Eltern und Großeltern haben wir das Privileg, die Verantwortung und die Gnade dazu bekommen, einen sicheren Raum für dieses Kind zu schaffen, damit es sein Potenzial entfalten kann.

Wichtig ist, dass wir die Kinder ernst nehmen. Wenn wir davon ausgehen, dass sie wirklich Gott begegnen, in der Beziehung zu ihm wachsen und geistliche Prinzipien erkennen können, verändert es unseren Umgang mit ihnen. Wir werden besser wahrnehmen, welche Gaben sie in sich tragen, was ihre Bedürfnisse sind und was sie an Herausforderung und Input brauchen, um zu wachsen. Wir brauchen den Blick, der das wirklich sieht. Und den kann uns Gott schenken!

Als Pianistin und Klavierpädagogin habe ich viele verschiedene Musiklehrer erlebt. Die besten davon haben etwas gemeinsam: sie erkennen ihre Schüler individuell „im Geist“ und sehen, was es braucht, dass sie weiter wachsen. Diese Lehrer suchen sorgfältig Stücke aus, die weitere technische oder künstlerische Fähigkeiten bei dem Schüler fördern. Manchmal greifen sie sehr hoch, damit etwas Anstrengung nötig ist. Ein anderes Mal nehmen sie etwas einfacheres, um für seelische Ruhe und Genuss zu sorgen. Sie bedienen sich meist ihrer bewährten Methoden, passen sie aber bei jedem Kind individuell an. Und sie glauben immer daran, dass jeder Schüler „echte“ (anspruchsvolle, interessante) Musik spielen und genießen kann. Daher vermeiden sie Material, das den Schüler langweilt oder unterfordert.

Daraus können wir etwas lernen. Auch im geistlichen Umfeld ist es wichtig, dass wir jedes Kind individuell wahrnehmen und einen Rahmen schaffen, in dem es sich entfalten kann. Wir dürfen und sollen Kindern Möglichkeiten bieten, mit dem „echten Material“ (dem Heiligen Geist!) Erfahrungen zu machen und Dinge zu üben und zu lernen. Sie wissen intuitiv, wenn sie ernst genommen werden und wann es sicher ist, sich einzubringen oder neue Dinge zu wagen. Und selbst dann brauchen sie oft viel Ermutigung und Zeit, um sich sicher zu fühlen.

Wir erwarten nicht, dass sich Kinder wie kleine Erwachsene verhalten. Anderseits glauben wir, dass sie auch in sehr jungen Jahren tiefe Erlebnisse mit Gott haben können. Wir trauen ihnen zu, geistliche Wahrheiten selber zu erfassen. Dabei geben wir als Eltern und geistliche Eltern Sicherheit, einen guten Rahmen, geistliche Abdeckung und liebevolle Korrektur.

Es sollte uns nicht überraschen, dass die Umsetzung schwierig ist. Weisheit, Geduld, Dranbleiben und Feinfühligkeit sind von uns gefragt. Es lohnt sich jedoch, uns hier zu investieren. Lassen wir uns von den Worten Jesu ermutigen:

Lasst die Kinder zu mir kommen, hindert sie nicht, denn solchen gehört das Reich Gottes. (Mk 10,14)

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